Ehrenamtlicher Einsatz in der Vesperkirche
„Teilgabe“ statt nur Teilhabe: Menschen mit Behinderung aus der Stiftung Liebenau engagieren sich bei der diesjährigen Vesperkirche in Ravensburg. An mehreren Tagen sind die Teilnehmer des Förder- und Betreuungsbereiches (FuB) der Liebenauer Arbeitswelten als ehrenamtliche Servicekräfte bei diesem Spendenprojekt im Einsatz.
Es gibt derzeit wohl keinen Ort in Ravensburg, der das Miteinander ganz unterschiedlicher Menschen mehr symbolisiert als die noch bis zum 8. Februar stattfindende Vesperkirche. Hier in den historischen Gemäuern der evangelischen Stadtkirche im Herzen der Türmestadt sitzt der Obdachlose beim Mittagessen neben dem Studienrat, die Schülerin neben dem Rentner und der Mensch mit Behinderung neben dem Menschen ohne Handicap. Mittendrin: Erkan Sahin, Patrizia Schories und Phuoc Tran mit ihren zwei Betreuerinnen. Zeit fürs Essen hat die Truppe der Stiftung Liebenau aber nicht. Schließlich sind die fünf zum Arbeiten hier – zusammen mit knapp 70 anderen ehrenamtlichen Helfern. Und es gibt viel zu tun. Immerhin werden täglich – neben anderen kostenlosen Dienstleistungen für Bedürftige – rund 800 Essen zum Solidaritätspreis von 1,50 Euro ausgegeben. Entsprechend viel benutztes Geschirr will abgeräumt werden. Und genau das ist heute der Job von Sahin & Co.
„Teilgabe“ durch soziales Engagement
Normalerweise würden die drei Hegenberger jetzt im Förder- und Betreuungsbereich – kurz: FuB – der Liebenauer Arbeitswelten ihre Arbeit tun. Hier werden Menschen mit hohem Assistenzbedarf in kleinen Gruppen gefördert und beschäftigt. Wegen der Vesperkirche haben sie heute aber früher Feierabend gemacht. Ihr Einsatz für die gute Sache zeigt, dass auch Personen mit einer schwereren Behinderung nicht nur an der Gesellschaft teilhaben wollen, sondern sich für diese auch sozial engagieren und ihr etwas zurückgeben können – durch so genannte „Teilgabe“.
„Da können wir auch mitmachen“
Wie es überhaupt dazu kam? Gisela Vetter, Heilpädagogin im Fachdienst des FuB, las den Aufruf zur Mitarbeit in der Zeitung. „Offen für alle“, laute ja die Losung der Vesperkirche. „Also können wir da auch mitmachen“, so Vetter. Gesagt, getan. Schnell hat sie ein paar Freiwillige gefunden, die den Job machen können: Teller, Gläser, Tassen und Besteck abtragen. „Das sind Dinge, die sie in ihrer Wohngruppe auch immer machen.“ Aber hier, inmitten so vieler Leute, ist das dann doch was komplett anderes. Entsprechend groß ist die Aufregung zu Beginn. Doch die Nervosität verfliegt schnell. Mit offiziellen Namensschildchen am Revers, umgebundener Schürze und bewaffnet mit Tabletts ziehen sie los.
Kaffee vom Oberbürgermeister
Ist ihnen anfangs Gisela Vetter noch dicht auf den Fersen, schlängeln sich Sahin und Tran Runde für Runde selbstständiger durch die Gänge. Und ernten an jeder Eckeein freundliches „Dankeschön“ für ihren Service. Wie es läuft? „Alles gut“, grinst Erkan Sahin, als er ein weiteres Tablett mit Dreckgeschirr an der Theke abliefert. Dort sortiert Patrizia Schories gemeinsam mit Heilerziehungspflegerin Nadine Baumann Gläser und Tassen in die Behälter, die dann zum Reinigen abtransportiert werden. Kurz vor 14 Uhr, die Reihen lichten sich mittlerweile, ist die meiste Arbeit getan. Zeit für eine verdiente Pause und eine Überraschung: Den Kaffee schenkt heute der Ravensburger Oberbürgermeister Dr. Daniel Rapp persönlich an die Hegenberger aus. Auch das passiert halt nicht alle Tage.