Corona belastet suchtkranke Menschen besonders stark

Die Vesperkirche im Gespräch mit Katja Friedrich, Diplom-Psychologin, Sozialtherapeutin und Leiterin Fachabteilung Sucht und Psychose in der Fachklinik Ringgenhof der Zieglerschen.

 

  1. Sie sind Leiterin der Fachabteilung Sucht und Psychose in der Fachklinik Ringgenhof, einer Reha-Einrichtung der Zieglerschen für suchtkranke Männer in Wilhelmsdorf. Hat sich der Alltag auf dem Ringgenhof durch die Pandemie stark verändert?

Weil wir in der Klinik keine Doppelzimmer mehr anbieten können und vorsorglich auch einen Quarantänebereich abgetrennt haben, haben wir aktuell weniger Patienten. Wir setzen natürlich die Hygienemaßnahmen um, tragen auf dem Gelände, auf dem Weg zu den Therapien und zwischenzeitlich auch während der Therapien Masken, halten Abstand und haben die Gruppengrößen reduziert. Während der Therapietermine wird regelmäßig gelüftet.

  1. Haben Sie an Ihren Klienten in dieser besonderen Zeit Veränderungen wahrgenommen? Leiden suchtkranke Menschen besonders stark?

Corona ist für suchtkranke Menschen besonders belastend. Und ich gehe davon aus, dass die Suchtproblematik durch Corona noch deutlich zunehmen wird. Die Anfragen von Menschen, die bei uns auf dem Ringgenhof eine Reha machen wollen, sind deutlich gestiegen und wir haben eine lange Warteliste. Sucht-Patienten gehören aufgrund vielfältiger körperlicher Folgeerkrankungen auch zur Risikogruppe im Hinblick auf Covid 19.

In meinem Bereich bekomme ich momentan von vielen Patienten die Rückmeldung, dass sie froh um ihre aktuelle Rehazeit bei uns sind und dass sie diese besondere Zeit nicht daheim verbringen müssen. Allerdings sind die Rehabedingungen bei uns aktuell natürlich anders als in Normalzeiten. Durch die kleineren Gruppen und die gleiche Anzahl der Therapeuten gibt es für den Einzelnen weniger Termine. Verschiedene Angebote, bei denen der Abstand nicht einhaltbar ist, wie etwa das Training sozialer Kompetenz, können wir aktuell nicht anbieten. Unsere Patienten können ihre Familien nicht sehen, keine Besuche empfangen und nicht heimfahren. Das ist eine neue Belastungssituation, die es vorher so nicht gab. Zusätzlich gibt es für die Patienten genauso wie für uns nur sehr wenige externe Abwechslungsmöglichkeiten wie etwa eine Fahrt nach Ravensburg oder an den Bodensee.

  1. Was ist eine Psychose und woran erkenne ich, ob ein Mensch eine Psychose hat? Können Angehörige helfen?

Eine Psychose ist eine Krankheit, die im Gehirn entsteht. Die Betroffenen leben in zwei Realitäten, haben eine innere Welt, die völlig von der äußeren Welt abgespalten ist. Sie stehen quasi neben sich, reagieren nicht adäquat, denken, reden und fühlen Ungewöhnliches, was nicht in unsere Realität passt. Sie sind meist sehr misstrauisch, denken beispielsweise, sie werden abgehört, hören manchmal Stimmen oder denken, ihnen wäre ein Sensor eingepflanzt werden.

Die Betroffenen versuchen in der Regel, möglichst lange zu funktionieren. Als Angehöriger kann man das wahrnehmen, aber eine Entstehung nicht verhindern oder beeinflussen. Man kann nur begleiten und zu einem Psychiater gehen. Es gibt gute Medikamente und Betroffene können im Rahmen von Therapien lernen, besser mit Psychosen umzugehen.

  1. Wie kommt man als Frau auf die Idee, im Bereich „Sucht und Psychose“ arbeiten zu wollen und dazu noch in einer Männerklinik?

Ich habe sehr spät Psychologie studiert und den Ringgenhof im Rahmen eines Praktikums kennengelernt. Ich war sehr beeindruckt von der Warmherzigkeit und dem guten Miteinander unter den Kolleginnen und Kollegen. Und ich habe gemerkt, dass „Sucht“ ein interessantes Thema ist und man durch die relativ lange Rehadauer gut mit Patienten therapeutisch arbeiten kann. Ich habe hier zunächst 8 Jahre auf der Drogenstation gearbeitet und bin seit März 2019 als Leitung der Fachabteilung  Sucht und Psychose tätig.