Schulden zwingen Menschen in Abhängigkeiten – Vesperkirche Ravensburg veranstaltet zum Thema Schulden eine Podiumsdiskussion
Freiheit durch Entschuldung – so lautet 2017 das Schwerpunktthema der Vesperkirche Ravensburg, die vom 24. Januar bis 12. Februar in der evangelischen Stadtkirche geöffnet hat. Mit einer Podiumsdiskussion am 30. Januar möchten die Organisatoren Friedemann Manz, Gerd Gunßer und Harald Dubyk das Thema näher beleuchten. Schulden zwingen Menschen in materielle Abhängigkeit. Aber wie geraten sie überhaupt in die Schuldenfalle? Und wie kommen sie da wieder heraus? Hinein in ein Leben ohne Schulden und damit in möglichst weitgehender finanzieller Freiheit.
Die Ursache klingt scheinbar harmlos. Die junge Frau aus dem Schussental ist Mutter einer kleinen Tochter, alleinerziehend. Nachdem sie ihr Studium erfolgreich abgeschlossen hat, möchte sie das frisch Gelernte auch gleich in die Tat umsetzen. Da drücken sie schon kleine Verbindlichkeiten wie die monatliche Rate in Höhe von 150 Euro für den Führerschein. Jetzt braucht die junge Frau aus beruflichen Gründen ein Auto. Ohne finanzielle Reserven ein schwieriges Unterfangen. In ihrer Not sucht sie Hilfe bei der Diakonischen Bezirksstelle in Ravensburg. Dort offenbart sie, dass sie demnächst auch noch die während des Studiums erhaltene Hilfe nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, in Raten zurückzahlen muss. In der Beratung mit der Diakonie gelingt es, erträgliche Monatsraten mit den Gläubigern zu vereinbaren. Dennoch ist das zur Verfügung stehende Geld knapp für die alleinerziehende Mutter und zwingt sie so in finanzielle Abhängigkeiten. Und so wächst auch ihre Tochter bereits in ihren ersten Lebensjahren in einem Umfeld materieller Begrenzung auf.
Angelika Hipp-Streicher von der Caritas Bodensee-Oberschwaben arbeitet mit ver- und überschuldeten Familien. Als Fachleiterin der Kinderstiftung Ravensburg kommt sie mit den unterschiedlichsten Notlagen in Kontakt. Die Betroffenen benötigen für ihre Kinder häufig konkrete Notfallhilfen wie Bekleidung, Schuhe oder Matratzen. Aber es geht auch um Unterstützung im Bildungs- und Teilhabebereich, zum Beispiel für das Erlernen eines Musikinstrumentes oder den Besuch eines Sportangebotes. „Die Leistungen der Kinderstiftung sind nachrangig gegenüber gesetzlichen Leistungsansprüchen. Wir prüfen die Bedürftigkeit, bevor wir Einzelfallhilfen gewähren“, sagt Hipp-Streicher. „Liegen gesetzliche Ansprüche vor, verweisen wir an die entsprechenden Stellen.“
„Viele Klienten kommen aber auch direkt zu uns und im Rahmen der Antragstellung wird die Notsituation transparent. Dann verweisen wir an die Fachdienste von Caritas und Diakonie oder die Schuldnerberatung“, sagt Sozialpädagogin Hipp-Streicher. Die Kinderstiftung vermittelt auch an Stellen, die erste Erleichterung in akuten Lebenslagen bieten können: Secondhand- und Tafelläden, das Jugendamt oder andere Sozialbehörden. „Unser Ziel ist es, dass wir uns für strukturelle Maßnahmen der Armutsbekämpfung stark machen, deshalb ist es wichtig, dass wir innerhalb des Netzwerkes gut zusammenarbeiten, dass die Dienste über die Unterstützungsmöglichkeiten informiert sind und die Vermittlung von Hilfen bedarfsorientiert und niederschwellig erfolgt“, sagt Hipp-Streicher. Das Prinzip ihrer Arbeit: Hilfe zur Selbsthilfe. Und sie betont: „Wir geben die Leistungen direkt an das Kind und können so nicht zweckentfremdet zum Einsatz kommen.“
Aber es sind nicht nur Familien mit kleinen Kindern, die von Schulden betroffen sind. Gerd Gunßer, Leiter der Diakonischen Bezirksstelle und Mitorganisator der Ravensburger Vesperkirche, berichtet von dem Fall einer älteren Frau. Diese hatte sieben Euro Schulden bei einer Telefongesellschaft. „Die Telefongesellschaft hat dann sehr rasch ein Inkassobüro beauftragt, um die Schulden einzutreiben. Innerhalb von vier Wochen hat sich durch die Gebühren des Inkassobüros der Betrag von sieben auf über 28 Euro erhöht. Die Frau geriet in Panik und suchte Hilfe bei uns“, berichtet Gunßer. Auch hier konnte die Beratung letztendlich helfen.
Wenn die Schulden überhand nehmen und allgemeine Beratung nicht mehr den gewünschten Erfolg bringt, tauchen die Betroffenen sehr oft bei Markus Balze auf. Der Ravensburger Fachanwalt für Insolvenzrecht kennt viele solcher Schicksale. „Trennung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit können Menschen in die Schuldenfalle führen. Wir wissen alle nicht, in welche Situationen wir geraten können. Hier passiert dann was, das man nicht mehr beherrschen kann“, berichtet Balze, der bei der Podiumsdiskussion der Vesperkirche als Fachmann teilnimmt. Häufig helfe ein sogenanntes Verbraucherinsolvenzverfahren. Nach Antrag und Eröffnung eines solchen Verfahrens folgt eine sechsjährige Wohlverhaltensphase mit dem Ziel einer Restschuldbefreiung. Markus Balze ist vom Verfahren überzeugt: „Ich halte das Verbraucherinsolvenzverhalten für eine gute Lösung.“
Wer die Vesperkirche Ravensburg unterstützen möchte kann dies unter folgender Bankverbindung tun: Evangelische Bank eG, IBAN DE26 5206 0410 0000 5554 44, Stichwort Vesperkirche 2017.