Suchen Wohnung, haben sieben Kinder
Wenn die Ravensburger Vesperkirche 2015 erstmals am 20. Januar ihre Pforten öffnet, steht sie auch unter einem besonderen Motto: Bezahlbarer Wohnraum im Schussental. Ravensburg und Umgebung ist kein billiges Pflaster. Das spüren vor allem kinderreiche Familien. So auch Madelaine Kehrer. Die 32-Jährige ist Mutter von sieben Kindern.
Verzweifelt ist Madelaine Kehrer nicht. Noch nicht. Obgleich ihre Wohnsituation mitten in Ravensburg durchaus Anlass zur Verzweiflung bietet. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und den sieben Kindern im Alter von einem bis zwölf Jahren bewohnt sie eine vier Zimmer-Wohnung. 88 Quadratmeter Wohnfläche für neun Personen. Das Wohnzimmer ist zugleich das Schlafzimmer der Eltern. „Ich hätte gerne ein eigenes Schlafzimmer“, sagt Madelaine Kehrer. Ihr Wunsch ist so irritierend wie selbstverständlich zugleich.
Vor allem die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten setzen Eltern wie Kinder immer wieder unter Stress. „Jeder rennt rein, immer wieder werden die Älteren bei ihren Hausaufgaben gestört“, berichtet Madelaine Kehrer. „Und wenn jemand schlechte Laune hat, dann wird’s schon mal schwierig.“ Mit sieben Kindern hat man heute Seltenheitswert, wirkt wie aus einer anderen Zeit. „Und ist benachteiligt“, betont sie. Aber sie sagt auch: „Wir müssen dankbar sein, dass wir uns haben.“ Nein, Verzweiflung hört sich wirklich anders an.
870 Euro, dazu Nebenkosten – das müssen die Kehrers jeden Monat für ihre Wohnung aufbringen. Ihr monatliches Haushalteinkommen setzt sich zusammen aus Kindergeld, Unterhalt für die drei älteren Kinder, die Madelaine Kehrer in die Partnerschaft miteingebracht hat, staatlichen Zuschüssen und dem Monatsverdienst ihres Partners. Vieles ist auf Kante genäht, große Sprünge Fehlanzeige. Vor allem vor Weihnachten werde ihr das immer wieder klar. „Die Kinder haben Wünsche, zu recht“, sagt sie. „Wir versuchen, so gut es geht, diesen auch zu entsprechen. Aber wir müssen sie immer wieder auch vertrösten. Vertrösten auf später.“
Sieben Kinder sind eine Herausforderung. „Erst waren vier Kinder geplant“, erzählt Madelaine Kehrer. Eine große Familie hatte die gebürtige Ravensburgerin immer schon im Blick. Dass es jetzt sieben geworden sind, sei nicht geplant gewesen, „aber akzeptiert“. Für das siebte und letzte Kind, das einjährige Nesthäkchen, hat Bundespräsident Joachim Gauck die Patenschaft übernommen.
Die aktuelle Wohnsituation der Familie ist auf Dauer keine Lösung. Busverbindung und Einkaufsmöglichkeiten seien zwar zum Glück in unmittelbarer Nähe, die Lage der Wohnung, direkt neben einer dicht befahrenen Straße und ohne Balkon, zwinge Madelaine Kehrer jedoch, die Augen auf dem Wohnungsmarkt offen zu halten. Und der ist für die Großfamilie eher ein Wohnungsverhinderungsmarkt. Seit 2005 habe die Familie bisher nur zwei Besichtigungstermine auf dem freien Markt gehabt. Eine geräumige Wohnung oder ein Häuschen mit genügend Zimmer, das wär’s. Ein bezahlbarer Wohnraum im Schussental scheint in weite Ferne gerückt zu sein. „Wir haben aber noch Hoffnung“, sagt sie.
Am 5. Februar ist in der Vesperkirche hierzu eine Podiumsdiskussion geplant. Ihr Titel: Bezahlbarer Wohnraum im Schussental? Keine leichte Frage. Fachleute aus der Region diskutieren über die Lage des Wohnungsmarktes in Ravensburg, Weingarten und Umgebung. Wie schwer tun sich Menschen mit einem schmalen Geldbeutel oder einem Handicap, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Auch jene Menschen, die zur Vesperkirche vom 20. Januar bis 8. Februar 2015 in die evangelische Stadtkirche Ravensburg kommen.
Wer die Ravensburger Vesperkirche finanziell unterstützen möchte, kann dies unter folgender Bankverbindung tun: Spendenkonto 77 95 600, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 601 205 00.